Faktencheck

Es kursieren zahlreiche fehlerhafte Informationen, Gerüchte und unbelegte Behauptungen über Ovistop bzw. den Wirkstoff Nicarbazin im Zusammenhang mit dem Einsatz bei Stadttauben. Dies wird nachfolgend aufgegriffen, kommentiert und durch nachprüfbare Fakten sowie Einschätzungen von Fachleuten richtiggestellt. Im Folgenden finden Sie gesicherte Erkenntnisse zum Tierarzneimittel Ovistop inklusive entsprechender Quellenangaben.

Eine Taube steht auf einer roten Randkante gegen einen hellgrauen Himmel.

Fakten im Überblick

Viele gelbe Maiskörner

Behauptung: "Ovistop ist in Deutschland nicht zugelassen, ein Einsatz ist rechtswidrig"

Ovistop hat seit 2002 eine Zulassung als Tierarzneimittel spezifisch für Stadttauben in Italien und damit innerhalb der EU.

Wenn ein Medikament eine Zulassung in einem EU-Land besitzt und kein vergleichbares Medikament in Deutschland auf dem Markt ist, darf es auch in Deutschland (ohne explizite deutsche Zulassung) und anderen EU-Ländern eingesetzt werden. Dies ist absolut gängige Praxis bezogen auf zahlreiche Arzneimittel innerhalb der EU und rechtlich unumstritten.

Alle Bedingungen für einen rechtskonformen Einsatz von Ovistop für Stadttauben in Deutschland und sind somit erfüllt.

Siehe hier auch die Stellungnahme von VETIDATA (VETIDATA ist eine veterinärmedizinische Informationsplattform, die Tierärzten in Deutschland zugelassene Tierarzneimittel, deren Fachinformationen sowie Arzneimittel-Preise und -Verfügbarkeiten bereitstellt.)

-> Stellungnahme:  VETIDATA  

-> Stellungnahme: „LaGeSo“ in Berlin

Behauptung: "Ovistop hat starke Nebenwirkungen"

Im Rahmen des Einsatzes von Ovistop oder vergleichbaren Nicarbazin-haltigen Tierarzneimitteln bei Stadttauben sind keine Nebenwirkungen bekannt. Die einzig bekannte, ausdrücklich erwünschte Nebenwirkung ist die temporäre Unfruchtbarkeit der Tauben. Nach einem Absetzen des Medikaments wird die Fruchtbarkeit der Tauben uneingeschränkt wiederhergestellt.

Die in manchen Veröffentlichungen aufgeführten Nebenwirkungen beziehen sich ausschließlich auf Hühner (Mastgeflügel und Legehennen) in der Massentierhaltung. Es handelt sich hierbei um eine andere Tierart, deutlich höhere Aufnahmemengen/Dosierungen des Wirkstoffs Nicarbazin und vollkommen andere Lebensbedingungen der Tiere (Platz, Bewegung, Raumtemperatur, etc.).

Keine dieser Nebenwirkungen wurde bisher bei behandelten Tauben festgestellt, weder in Deutschland, noch im Ausland.

In den letzten dreieinhalb Jahren wurden in ganz Europa lediglich zwei Verdachtsfälle mit unerwünschten Nebenwirkungen von Ovistop bei der Europäischen Datenbank gemeldet.

Verendete Tiere werden in Gebieten, in denen Ovistop eingesetzt wird, in der Regel immer in Abstimmung mit den örtlichen Veterinärämtern in einem unabhängigen Labor untersucht. In keinem Fall konnte bisher bei der Todesursache ein kausaler Zusammenhang mit der Behandlung mit Ovistop festgestellt werden.

Behauptung: "Ovistop ist ein Tierversuch / Ovistop ist nicht erforscht"

Ovistop ist ein für Stadttauben zugelassenes Medikament, daher kann es auch für Stadttauben rechtskonform eingesetzt werden. Die Indikation: Zugelassen für Stadttauben zur Reduzierung der Fruchtbarkeit.

Definition Tierversuch: „Ein Tierversuch ist ein wissenschaftliches Experiment, bei dem lebende Tiere eingesetzt werden, um biologische, medizinische oder chemische Fragestellungen zu untersuchen.“

Es fehlt beim Einsatz von Ovistop bei Stadttauben an jeglicher Grundlage für eine Einordnung als Tierversuch. Es handelt sich nicht um ein wissenschaftliches Experiment, da der Wirkungsmechanismus bereits untersucht wurde und alle wesentlichen Fragestellungen längst beantwortet wurden. Weder biologische, medizinische oder chemische Fragestellungen müssen untersucht werden. Das ist alles im Rahmen des Zulassungsprozesses bereits erfolgt. Das Ergebnis der gewonnenen Erkenntnisse ist die Zulassung von Ovistop als Tierarzneimittel für Stadttauben.

Seit 2002 ist Ovistop in Europa im Zusammenhang mit der Reduzierung von Stadttaubenpopulationen im Einsatz. In dieser Zeit sind über den Zulassungsprozess hinaus zahlreiche weitere Untersuchungen und Studien erfolgt. (Siehe Literaturverzeichnis -> Link zur Rubrik Literatur)

-> Stellungnahme: „LaGeSo“ in Berlin

Behauptung: "Wir sind „Vertreiber“ von Ovistop"

Unter der Leitung unserer vogelkundigen Tierärzte wird das Tierarzneimittel Ovistop in Deutschland nach den Vorgaben des Herstellers und den tierarzneimittelrechtlichen Vorschriften zur tierschutzkonformen Reduktion von Stadttaubenpopulationen eingesetzt. Eine Behandlung mit Ovistop in einer Stadt/Kommune oder auf einem Firmengelände wird nur nach tierärztlicher Untersuchung und unter der kontinuierlichen Kontrolle eines Tierarztes vorgenommen.

Ein „Vertrieb“ an Dritte findet durch uns nicht statt.

Behauptung: "Ovistop ist viel teurer als Taubenschläge"

Im Vergleich mit anderen gängigen Konzepten des Stadttaubenmanagements ist diese Aussage unzutreffend. Zieht man beispielsweise die Gesamtkosten für ein Taubenhaus inkl. Errichtung und den laufenden Betrieb (Futter, Material, Wartung, tägliche Reinigung, Reparaturen, Personal, Tierarzt, etc.) heran, ist in Relation zur Populationsgröße und zum Erfolg der gezielte Einsatz von Ovistop deutlich günstiger und effektiver.

Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass bei einem Einsatz von Ovistop die Populationsgröße der Stadttauben pro Jahr um 10-20 Prozent sinkt. Die Kosten für den Einsatz des Medikaments reduzieren sich dadurch entsprechend sukzessive.

Beispiele:

Behauptung: "Ovistop wird auch von anderen Tieren aufgenommen"

Aufgrund der Gestaltung des Behandlungskonzeptes inklusive der manuellen Verabreichung des Tierarzneimittels ist das grundsätzlich auszuschließen. Das Medikament Ovistop (Mit Nicarbazin ummantelte, ganze getrocknete Maiskörner) wird genau dosiert an bestimmten Futterplätzen gezielt verstreut. Andere Vögel, die in sehr seltenen Fällen mitfressen wollen, werden in der Regel von den dominanten Stadttauben daran gehindert. Nach der Fütterung werden, sofern etwas übriggeblieben ist, die Reste des Maises aufgekehrt. Eine unkontrollierte Aufnahme durch andere Tiere oder Menschen ist also nicht möglich.

Darüber hinaus: Ein Hund müsste für eine toxische Wirkung beispielsweise 150 kg Ovistop am Tag, eine Katze 30 kg am Tag zu sich nehmen. Kleinere Singvögel können den behandelten Mais allein durch anatomische Einschränkungen nicht aufnehmen. Ein Maiskorn ist schlichtweg zu groß.

Behauptung: "Ovistop ist problematisch für Greifvögel"

Grundsätzlich ist zwischen zwei theoretisch möglichen Szenarien zu unterscheiden.

Szenario 1:

Ein Greifvogel schlägt eine Taube und verzehrt sie anschließend.

Der Wirkbestandteil in Ovistop (Nicarbazin) wird im Darm einer Taube in zwei Komponenten (Moleküle) abgebaut und aufgespalten. Dadurch kann der Stoff nicht mehr seine Wirkung entfalten, sollte eine Taube von einem Greifvogel aufgenommen werden. Bei Aufnahme von Ovistop aus dem Kropf einer zuvor behandelten Taube ist die Konzentration an Nicarbazin viel zu gering, um bei dem Greifvogel eine toxische Wirkung zu erzielen oder ihn unfruchtbar zu machen. Gleiches gilt auch für Küken/Jungtiere.

Um pharmakologische Wirkungen zu entfalten, erfordert Nicarbazin eine ausreichende Exposition sowohl hinsichtlich der Dosis als auch der Dauer von mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen während der gesamten Brutzeit, während die empfängnisverhütende Wirkung nach Absetzen der Behandlung vollständig reversibel ist. Die Kombination dieser Anforderungen macht es äußerst unwahrscheinlich, dass nicht zielgerichtete pharmakologische Wirkungen auftreten. In Anbetracht der Tatsache, dass jede potenzielle Exposition, der Raubvögel ausgesetzt sein könnten, weit unter der für toxikologische oder pharmakologische Wirkungen erforderlichen Dosierung (in Bezug auf Dosis und Dauer der Exposition) liegt, besteht bei Raubvögeln kein Risiko einer sekundären Exposition gegenüber Nicarbazin im Zusammenhang mit Programmen zur Bekämpfung von Tauben.

(-> Quelle: https://www.heraldopenaccess.us/article_pdf/12/safety-of-nicarbazin-in-raptors-in-relation-to-pigeon-eradication-programs.pdf)

Außerdem wichtig zu wissen:

  • Lediglich bei Wanderfalken und Habichten sind Tauben überhaupt Teil des Beutespektrums. Bei allen anderen Greifvogelarten, die im urbanen Umfeld vorkommen könnten, ist das Schlagen einer Taube ausgeschlossen.

  • Ovistop ist kein hormonelles Produkt und kein Antibiotikum

Szenario 2:

Ein Greifvogel verzehrt Ovistop direkt.

Beim Ovistop handelt es sich um mit Nicarbazin ummantelte, ganze, getrocknete Maiskörner.

Greifvögel sind reine Fleischfresser, sie ernähren sich ausschließlich von tierischer Nahrung. Pflanzliche Nahrung wie Maiskörner fressen sie nicht. Ihr Verdauungssystem ist nicht darauf ausgelegt, pflanzliche Stoffe zu verwerten. Außerdem sind ihr Schnabel und ihre Krallen speziell zum Greifen, Töten und Zerlegen von Beutetieren gebaut, nicht zum Picken von Körnern.

Fazit:

Es besteht im Rahmen des angewendeten Ovistop-Behandlungsprozesses für Stadttauben also grundsätzlich keine Gefahr für Greifvögel.